Verdammt, wessen Sünden büße ich da eigentlich?!?

Ich alleine kann doch in einem Leben gar nicht so viel angestellt haben, dass ich das verdiene. Ich meine, ich bin prinzipiell ein guter Mensch - ich lüge nicht, ich betrüge nicht, ich habe noch nie im Zuge einer kindlich-dämlichen Mutprobe etwas gestohlen (was vielleicht einerseits daran liegt, dass ich keine Freunde habe, die auf soetwas Wert legen würden, andererseits daran, dass man mich bestimmt erwischen würde, weil man mir eine Straftat auf tausend Meter ansieht), ich quäle keine kleinen Tiere, ich hab noch nie einem Schlafenden den Kopf rasiert. Ich habe mir in letzter Zeit nichts zu Schulden kommen lassen. Womit also habe ich diese Strafe eigentlich verdient?!

Obwohl so ein Zahnarztbesuch ja auch etwas befreiendes hat. Wie, wenn man in einer unzufriedenstellenden Beziehung steckt, den endgültigen Schlussstrich aber immer wieder hinausschiebt, bis die Schmerzen einfach größer sind als die Angst. Das Schluss machen selbst tut weh, aber wenn man dann endlich raus ist, ist man glücklich und erleichtert.
Dazu muss ich sagen, dass das Schluss machen bzw. das Verlassen werden noch nie, nie, niemals so weh getan hat. Ich wurde aber auch noch nie so brutal behandelt...

Dass der jeweilige Gegenüber kein Mitleid hat, ist mir ja nicht neu. Aber meine Zahnärztin, die werte Frau Dr. M - möge sie in Frieden ruhen - hat ein Feingefühl wie eine Schlagbohrmaschine und das Taktgefühl eines Kleinkindes, das die Töpfe seiner Mutter mit einem Kochlöfel bearbeitet, schlagender Weise. Wie einer dieser Töpfe habe ich mich auch gefühlt.
Dabei habe ich schon meine ganze Willenskraft und Beherrschung aufgebracht, und war für meine Verhältnisse wirklich tapfer, von gelegentlichem Wimmern und Zucken einmal abgesehen. Und ich hatte ja schon immer Mitleid mit Zahnärzten - ist ja schließlich auch nicht das Gelbe vom Ei, jeden Tag in den verfaulten Zähnen völlig Fremder herumzurühren. Aber als ich dann keine Luft mehr bekam, wusste ich, was Gewaltfantasien sind. Ich hätte Dr. M wirklich beinahe niedergeschlagen, als ich verzweifelt nach Luft gerungen habe, im Mund mehr Besteck als in einer Großküche, und Dr. M mein beinahes Ableben mit den Worten quittierte: "Nein, du erstickst jetzt nicht, jetzt tu nicht so! Das bildest du dir nur ein!", woraufhin ich erwiderte: "Des was eh i!", was aber durch den Schlagbohrer, der lustig weitergrub, und den Sauger, der nicht saugte, klang wie "hech haa e i". Als mein Gesicht dann eine leichte Blau-Färbung einnahm, setzte Dr. M kurz ab, aber nicht wie ich dachte, um mir eine kurze Verschnaufpause zu gönnen sondern um mir einen Vortrag zu halten. "Und das sind dann die Patienten, die komatös werden! Durch ihre Hysterie machen sie sich die Probleme nur selber!" Die Erleichterung, die mich bei dem Gedanken an ein plötzliches Koma bei der Zahnbehandlung - die Hoffnung lebt! - überkam, ließ mich sogar kurzzeitig lachen.

Als Dr. M das Schlachtfeld in meinem Kopf von ihren Folterinstrumenten befreit hatte, legte ich dann los. Ich sagte ihr, wie unpädagogisch und wenig zielführend es wäre, mich während der Behandlung anzubrüllen und meinen ohnehin schon etwas zerrütteten Zustand mit Dingen wie Koma oder die Arbeitsbedingungen dieser notorischen Sadisten zu belasten. Sie möge doch bitte (gefälligst) mehr Einfühlungsvermögen und Verständnis für meinen Zustand haben. Woraufhin sie nur rief: "Aber ich kann so nicht arbeiten!", sich auf ihren Birkenstocks umdrehte, um gestochenen Stechschrittes Behandlungsraum Nummer 2 zu verlassen. Wer war da hysterisch...

Ich glaube, ich pfeif auf einen neuen Laptop, und leg mir besser etwas zu, das zeitlos, unglaublich praktisch und überlebenswichtig ist und außerdem sicherlich zu jeder Garderobe passt: eine Garnitur neue Zähne. Solche, die ich über Nacht im Nebenraum reinigen lassen und zur Wartung einfach dem Zahnarzt oder Keramiker meines Vertrauens schicken kann.

Meine Eingaben merken?

Titel:

Text:

JCaptcha - du musst dieses Bild lesen können, um das Formular abschicken zu können
Neuen Code anfordern

 


development